Unter dem Motto „Du hast einen Platz, du wirst gehört, du wirst gebraucht!“ startete am 01.10.2024 eine neue Initiative der Akademie für Dialog und Evangelisation im Figlhaus Wien. In einer Zeit der aufgeheizten politischen Stimmung und gesellschaftlicher Polarisierung soll das Dialogformat „Österreich der runden und eckigen Tische“ für mehr Austausch und Gespräche sorgen. Neben Medienvertrer:innen, Studierenden und Persönlichkeiten quer durch die Gesellschaft unterstützen auch Vertreter:innen unterschiedlicher Religionen das Vorhaben. Das Ziel: Menschen zusammenzubringen, die im täglichen Leben wenig miteinander im Austausch stehen, um so zu einem neuen „Wir-Gefühl“ zu kommen.
Menschen an einen Tisch zu bringen, die unterschiedlicher nicht sein können – an Denken, Lebensstil, an politischer Meinung, sozialem Hintergrund und Weltanschauung: Das war am 1.10. das erklärte Ziel der Akademie für Dialog und Evangelisierung im Figlhaus Wien. Damit wollen die Initiatoren österreichweit Tischgemeinschaften ins Leben rufen, in denen diskutiert, vor allem aber unvoreingenommen zugehört werden darf: „Ob am Brennpunkt Wiener Reumannplatz oder beim Tiroler Bergdorfwirten – wir möchten Menschen in Österreich eine Plattform bieten, in der wir miteinander in den Austausch kommen und voneinander lernen können“, beschreibt Michael Frey, Leiter der Akademie, das ambitionierte Projekt.
Möglichst große Vielfalt an einem Tisch
An 19 Tischen mit über 200 Tischgästen wurde über die Dauer von drei Stunden hinweg diskutiert, debattiert, gelauscht und gelacht. Vertreten waren dabei alle Gesellschaftsschichten – vom Staplerfahrer, Friseur, Installateur bis zu Unternehmer:innen, Geflüchteten, Professor:innen, Pensionist:innen, Schüler:innen, Menschen mit Migrationshintergrund.
Unterstützt wird die Initiative sowohl von Medienschaffenden und Freiwilligen, als auch von Vertretern unterschiedlicher Religionen. Zu den Gästen zählten u.a. „Frühstück bei mir“-Moderatorin Claudia Stöckl, Datum-Herausgeber Sebastian Loudon, Standard-Stv.- Chefredakteur Rainer Schüller, Ex ZIB-Anchorman und Medienberater Gerald Groß, Burgschauspielerin Maria Happel, Life-Ball-Initiator Gery Keszler sowie der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler und der muslimische Theologe Abualwafa Mohammed.
Weniger aufheizen, mehr zuhören
„Auch Österreich ist mittlerweile zu einem Ort geworden, wo viele Menschen aus verschiedensten Gründen nicht mehr miteinander sprechen oder keinen sichtbaren Platz in unserer Gesellschaft haben, und nicht an einen gemeinsamen Tisch mit anderen eingeladen werden. Das wollen wir ändern“, sagt Mitinitiator Otto Neubauer.
Zwar werde viel geredet, viel Meinung geäußert und damit viel Stimmung in die eine oder andere Richtung gemacht, das Zuhören und Fragen haben viele allerdings verlernt, fasst es Hermann Glettler, Bischof von Innsbruck, zusammen. „Wir können und wollen uns das Nichtkommunizieren angesichts der vielen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht mehr leisten“, so Glettler.
Eine Möglichkeit, Grenzen zu überwinden und wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, sieht Ex-ZIB-Moderator Gerald Groß darin, sich wieder mehr wie ein Kind zu verhalten: Mit Neugierde die Welt zu erkunden, mit Offenheit dieser Neugierde nachzugehen und mit Mut einen Umgang mit dieser Offenheit zu finden. All das bedinge das Verlassen der eigenen Komfortzone, um die Terra Incognita, dieses unbekannte Terrain zu erschließen. „Denn dieses Unbekannte, das ist kein fernes Land“, so Groß. „Das sind die anderen: die Frau mit Kopftuch, der ältere Herr im Trachtenjanker, der junge Mann mit übergestülpter Kapuze und Tattoos am Hals.“
Drei Gänge, hunderte Gespräche
Ein Dreigänge-Menü, gekocht von Freiwilligen des Figlhauses, bildete das Fundament des Abends, begleitet von Impulsreden über Innovation und die Bedeutung von Gemeinschaft und Zusammenhalt über die Grenzen verschiedener Weltanschauungen hinweg. Diese dienten sowohl als Diskussionsgrundlage an den Tischen, als auch als Reflexionspunkte über das eigene Leben für alle Anwesenden.
Für Überraschung sorgte die Burgschauspielerin Maria Happel mit der Darbietung von „La vie en rose“ von Edith Piaf. Ihre Hommage galt dabei vor allem der Hl. Therese von Lisieux, deren Gedenktag auch an diesem 1.10. gefeiert wird und die gleichzeitig Patronin des Figlhauses ist. Happel erzählte, dass Piaf nämlich als fast erblindetes Kind von Prostituierten zur Wallfahrt nach Lisieux gebracht und geheilt wurde. Mittlerweile spiele sie die Piaf seit ihrem 23. Lebensjahr, obwohl sie kein Wort Französisch spreche, weil sie für sie Vorbild für eine Liebe sei, die alle Grenzen überschreiten kann.
Die große Herausforderung des Abends war, dass die Gäste gebeten wurden, jemanden mitzubringen, der ganz anders ist als sie selbst, um möglichst viele unterschiedliche Stimmen und Meinungen an einem Tisch zu versammeln.
Wie es weitergehen soll
Der Initiator Michael Frey will nun mit ganz vielen anderen aufbrechen: „Es war ein Pilotversuch. Der Abend hat alle Erwartungen übertroffen. Jetzt wollen wir in ganz Österreich zu Initiativen inspirieren – vor allem für das Jahr 2025, das Papst Franziskus auch als Heiliges Jahr unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ gestellt hat.
Statement von Bischof Hermann Glettler
Fotos von Jannis Nekrep