Die modernen Hausbesetzer: Wie Airbnb-Vermieter Wohnraum blockieren


von Kerstin Höfler am

Die nette Ursprungsidee von Airbnb: Jemand bietet sein leer stehendes Zimmer billig übers Internet an. Längst ist die Weitervermietung ein knallhartes Geschäft geworden.

Die Mietpreise in Wien steigen weiter an.

Jonathan nimmt drei Löffel vom Kaffeepulver und füllt es in seine Espressokanne aus Edelstahl. Mit schnellen Handgriffen dreht er den Verschluss zu und stellt die Kanne auf den Herd. Aus dem Kühlschrank holt er eine kleine Packung Vollmilch, dann setzt er sich auf den Holzsessel und wartet. Was als selbstverständliches Morgenritual scheint, war für den Musikstudenten vor ein paar Monaten noch undenkbar. Fast ein Jahr lang suchte er nach einer passenden Unterkunft in Wien. Heute teilt er sich eine Vier-Zimmer-Wohnung in Hütteldorf mit seiner Freundin und seiner Schwester. Monatlich sind insgesamt 750 Euro Miete fällig.

Leistbares Wohnen in Wien beschäftigt Hunderttausende

Der Wohnungsmarkt ist umkämpft. Travel-Apps wie Airbnb werben mit persönlichen Unterkünften, günstiger als in Hotels. Durch private Zimmervermietungen wird die Situation noch prekärer, vor allem wenn bevorzugt nächteweise an Touristen vermietet wird als dauerhaft an Einheimische. Der ohnehin begrenzte Wohnraum in der österreichischen Hauptstadt wird so noch knapper. Und Wien wächst stetig. 2018 lebten hier bereits 1.888.776 Personen. Allein 2017 hat Wien ein Bevölkerungswachstum von 1,1% erfahren.

Für eine 4-Personen-Wohnung in Wien rechnet Airbnb bis zu 1200 Euro Einkünfte pro Monat vor. Seit 2008 können Personen ihre Räumlichkeiten über das amerikanische Online-Buchungsportal zur Vermietung anbieten. Erfunden und entwickelt wurde die erfolgreiche App, wie so viele andere namhafte Startups, im kalifornischen Silicon Valley. Brian Chesky, Joe Gebbia und Nathan Blecharczyk waren die Drahtzieher.

Letzterer meint in einem Interviews im Magazin Gründerszene, es sei  untypisch, dass jemand über seine Plattform eine leerstehende Wohnung das ganze Jahr über vermiete. Mehr als 80 Prozent ihrer Gastgeber würden auch selbst in der Wohnung leben, die sie vermieten. Dem gegenüber stehen andere Zahlen: Fast ein Viertel der in Wien angepriesenen Unterkünfte wird von circa 75 Vermietern angeboten. Auch viele Hotels machen Touristen ihre Zimmer mittlerweile über das Online-Buchungsportal schmackhaft. Grundsätzlich ist gewerbliche Vermietung über Airbnb bei korrekter Versteuerung sogar erlaubt.

In der österreichische Hauptstadt ist der Wohnraum heiß umkämpft.

Airbnb und Steuerhinterziehung?

Mit rechtmäßigen Anmeldungen und Steuerabgaben scheinen es allerdings einige nicht so genau zu nehmen: Schätzungsweise eine halbe Million Euro an Ortstaxe entgeht der Stadt Wien jährlich. Zwischen Airbnb und Wien hat das große Streitigkeiten hervorgerufen. Denn wer vorübergehend in einer entgeltlichen Unterkunft nächtigt, muss die Ortstaxe entrichten. Bereits seit Jänner 2013 gilt die Ortstaxepflicht auch für Privatunterkünfte wie auf der Homepage der Stadt Wien nachzulesen ist. Um Missbrauch vorzubeugen sind seit August 2017 außerdem auch jene Vermieter gegenüber dem Magistrat meldungspflichtig, die ihre Unterkünfte selbst über Online-Buchungsplattformen zur Verfügung stellen.

Airbnb argumentierte allerdings, eine Weitergabe von persönlichen Nutzerdaten käme für sie aus Datenschutzgründen nicht in Frage. Dies sei nicht mit den Vorgaben des österreichischen und europäischen Rechts vereinbar. Airbnb bot lediglich an, die Ortstaxe selbst einzubeziehen und weiterzugeben. Als Konsequenz muss die Home-Sharing-Plattform nun mit Strafzahlungen rechnen. Pro Verstoß droht Airbnb eine Erststrafe in Höhe von 35 Euro. Allein im Raum Wien ergäbe dies bei schätzungsweise 8000 Wohnung eine Gesamtstumme von 280.000 Euro. Auch gegen fünf weitere Buchungs-Portale hat Wien ein Verfahren eingeleitet. 2020 soll sogar eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, wonach Buchungsplattformen alle Buchungen sowie Umsätze den Behörden bekannt geben müssen.

Online-Vermietungen locken mit leicht verdientem Geld.

Untervermietung zwischen schwarz und weiß

Doch selbst bei korrekter Anmeldung bleiben rechtlich Grauzonen bestehen. In den meisten Mietverträgen gibt es Regelungen welche die Untervermietung betreffen. Eigentlich muss jede Untervermietung vorab vom Vermieter genehmigt werden. Dann ist zu klären, ob der Mietgegenstand zur Gänze untervermietet werden soll, die Anzahl der Bewohner die Anzahl der Wohnräume übersteigt oder ob zu befürchten ist, dass der Untermieter den Hausfrieden stört. Denn der OGH hat festgestellt: Die Nutzung einer Wohnung als Ferienappartement kann zur Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer in einem Haus führen und so eine genehmigungsbedürftige Widmung erfordern. In Sozialwohnungen ist eine Zwischenvermietung zudem grundsätzlich untersagt, da solche Sozialbauten ohnehin mit Steuergeldern unterstützt werden. Gerade hier werden illegale Vermietungen mit hohen Strafen bis hin zu Kündigungen geahndet.

Auch Jonathan kann von dubiosen Fällen berichten. Er nimmt den dampfenden Kaffee vom Herd und füllt ihn schwungvoll in eine große Tasse. Die Wohnungssuche erwies sich als langwierig und anstrengend: „Wir haben online dauernd nach neuen, leistbaren Wohnungen Ausschau gehalten, waren bei dutzenden Besichtigungsterminen. Wenn man vergleicht, welche Unterkünfte auf Airbnb angeboten werden und welche Angebote man als Wohnungssuchender bekommt, dann ist das immens frustrierend.“ Jonathan schüttet einen Schluck Milch in seinen Kaffee und nippt daran. Dann wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr. In fünfzehn Minuten muss der Musiker los, in der Uni steht eine Probe an. „Gerade Studenten steht nicht so viel Geld wie zahlungskräftigen Touristen zur Verfügung. Man muss wohl auf die Gnade der Vermieter hoffen. Oder sich zusammenraufen wie wir und eine WG gründen.“ Dann lacht er: „Ein Zimmer hätten wir noch frei. Vielleicht will es ja wer auf Airbnb? Das Allianz-Stadion ist fußläufig erreichbar.“

 

Auch in Österreich werden immer mehr Wohnungen auf Zeit über Airbnb angeboten.
 

Airbnb-Shortfacts

-> Seit wann gibt es Airbnb? 2008. Es wurde im kalifornischen Silicon Valley von Brian Chesky, Joe Gebbia und Nathan Blecharczyk gegründet.

-> Was ist Airbnb? Ein Online-Reservierungssystem für Buchungen und Vermietungen von Unterkünften. 

-> Was ist der Grundgedanke hinter Airbnb? Urlaub machen bei Einheimischen, günstiger und persönlicher als in einem Hotel.

-> Wo ist Airbnb vertreten? Nach eigenen Angaben in 191 Ländern und 34.000 Städten mit 3 Millionen Betten.

-> Wie funktioniert eine Buchung bei Airbnb? Die Plattform stellt den Kontakt zwischen Gastgeber und Gast her und ist ausschließlich für die Abwicklung der Buchung verantwortlich. Die Transaktion findet dabei über die Plattform 
statt. Der Gast bezahlt den Betrag für seine Buchung per Kreditkarte oder Ähnlichem an Airbnb. Dem Gastgeber wird der Betrag erst 24 Stunden nach Anreise ausgezahlt, um sicherzustellen, dass der Gast die Unterkunft so vorfindet, wie sie ihm angeboten wurde. 

-> Wie finanziert sich Airbnb? 2013 erhob die Plattform 6–12 % von den Gästen, 3 % von den Gastgebern; insgesamt 150 Millionen Dollar bei etwa 10 Millionen Übernachtungen.


Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Medien-Lehrgangs 2019 als journalistische Praxis-Arbeit. Thema und Inhalt dieses Beitrags wurden durch die Autorin selbstständig gewählt und recherchiert.

Kerstin Höfler

* Fotografin / Reisefan / Reportagen-Liebhaberin
* Freie Redakteurin bei den Bezirksblättern

Bildquellen

  • Steigende Preise in Wien: Bildrechte beim Autor
  • Wien-Überblick: Pixabay
  • Schlüsselübergabe: Pixabay
  • Airbnb-Handylogo: https://pixabay.com/de/photos/airbnb-wohnung-vermietung-logo-2384737/

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