Hinter verschlossenen Türen


von Greta-Mattea Wieland am

Trotz der erschreckenden Zahl von 10 Femiziden in Österreich seit Anfang diesen Jahres, werden Frauen, die von Gewalt betroffen sind, noch immer stigmatisiert. Obwohl die Politik Gewaltschutz für wichtig erklärt, werden frauenpolitische Projekte weiterhin gekürzt. Eine Bestandsaufnahme mit Eva Zenz vom Verein AÖF – Autonome Österreichische Frauenhäuser und Sophie Hansal, Pressesprecherin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt.

Wenn die Familienidylle während der abendlichen Nachrichten durch die oftmals Gewalt-geprägten weltpolitischen Geschehnissen aus den Angeln gehoben wird, sollten wir vielleicht erst einmal in unsere eigenen vier Wände blicken. Selten entspricht Familie dem gewünschten Idealbild. Gewalt in der Familie ist ein unterschätztes gesellschaftliches Problem – oftmals leiden darunter vor allem Frauen.

Eine von Fünf

Jede fünfte Frau erfährt mindestens einmal im ihrem Leben körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt oder beides in Kombination. Die Zahl der Betroffenen steigt weiter an, die Dunkelziffer liegt jedoch weitaus höher. „Schwere Gewalt, wie Morddrohungen und Körperverletzung haben in den letzten Jahren drastisch zugenommen”, sagt Eva Zenz vom Verein AÖF. Denn Gewalt hat viele Gesichter und beginnt oft schon lange vor der ersten körperlichen Gewalteinwirkung.

 

 

Ein weiterer Grund für den Anstieg von Gewalt an Frauen ist, dass etliche gleichzeitig von mehreren Arten der Gewalt betroffen sind. „Durch Apps und andere neue Software steigen Stalking und die ständige Überwachung von Betroffenen durch den Gefährder an –  was den psychischen Druck erhöht”, erklärt Zenz die Zunahme von Gewalttaten in den letzten Jahren.

 

Wie wird Männlichkeit gelebt

„Nach jahrzehntelange Erfahrung von Opferschutzeinrichtungen lässt sich international sagen, dass Gewalt in allen Schichten und in allen Altersgruppe vorkommt”, sagt Sophie Hansal, Pressesprecherin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt. Zudem zeichnet sich ab, dass die Gefährder größtenteils männlich sind und die Mehrheit der Betroffenen weiblich. Es lässt sich ein klares Geschlechterverhältnis im Bezug auf Gewalt erkennen. Auch nach 20 Jahren aktiver Opferschutzarbeit scheint sich dieses Bild nur rudimentär geändert zu haben. „Gewalt an Frauen ist ein Phänomen, welches nicht unabhängig von Geschlechterrollen passiert und zudem eng damit verknüpft ist, wie Männlichkeit gelebt werden kann bzw. darf”, sagt Hansal.

 

Ein Hinterfragen der Geschlechterrollen

Was sind die Gründe für die hohe Gewaltrate an Frauen? Die meist männlichen Täter sind Ehemänner, Ex-Partner oder männliche Familienangehörige. Viele verschiedene Akteure und doch zeichnet sich ein Hauptmotiv ab – tief verwurzelte patriarchale Denkmuster und Haltungen.

Ein Männlichkeitsbild, das sich durch Ausgrenzung, Unterdrückung und Beherrschung von Frauen auszeichnet, ist nicht nur ein Hemmschuh für die Gleichheit in unserer Gesellschaft, sondern auch das Fundament aus dem Gewalt an Frauen entspringt. „Ohne grundlegendes Hinterfragen von Geschlechterrollen ändert sich nichts an der stetig steigenden Gewalt”, sagt Sophie Hansal. Doch wie bricht man diese vorherrschenden Strukturen? „Mit Prävention, meint Eva Zenz, mit Workshops an Schulen, wo die gesellschaftlichen Bilder von Mann und Frau unter die Lupe genommen werden. Denn nur so kann eine Egalität der Geschlechter geschaffen und Gewalt verhindert werden.”

 

“Wir spielen Feuerwehr”

Um dieser Aufklärung nachzukommen, organisiert der Verein AÖF eine Lehrveranstaltung an der Universität Wien. Unter dem Namen Eine von Fünf lehren Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen den Studierenden das Erkennen und die Sensibilität von Gewalt.

Doch nun wurde von der ehemaligen Frauenministerin, neben vielen anderen Frauenprojekten, auch hier der Sparstift angesetzt und die Ringvorlesung um eine Lehrverpflichtung gekürzt. „Durch Kürzungen können weniger vorbeugende Maßnahmen und weniger Aufklärungsarbeit geleistet werden”, sagt Eva Zenz vom Verein Autonomer Frauenhäuser und fordert mehr Budget für die Bekanntmachung von Opferschutzeinrichtungen und Prävention. Obwohl sich das  ehemalige Frauenministerium vor allem dem Gewaltschutz widmen wollte, wurde vergessen, dass Präventions- und Sensibilisierungsarbeit ebenso Eckpfeiler eines umfassenden Gewaltschutzes sind wie Projekte, die zur Gleichheit der Geschlechter beitragen. Das Frauenministerium verwies darauf, dass nur eine Umschichtung der Gelder im Bereich Gewaltschutz stattfand und die Fördergelder in Relation zur Leistung vergeben werden.

Obwohl die Finanzierung der Interventionsstelle gegen Gewalt durch das österreichische Gewaltschutzgesetz rechtlich abgesichert ist, sind die Ressourcen knapp bemessen. Da es an finanziellen Mitteln fehlt, ist es der Wiener Interventionsstelle oft nicht anders möglich, die Betroffenen nur kurzzeitig zu beraten. „Es sind leider die finanziellen Ressourcen, die entscheiden wie oft und wie intensiv man Hilfesuchende betreuen und unterstützen kann”, sagt Hansal.

Auch sie sieht den Schlüssel in der Präventionsarbeit. „Wir spielen Feuerwehr, kommen wenn das Feuer schon am Dach ist und versuchen zu löschen,” verbildlicht die Pressesprecherin die Arbeit mit den geringen finanziellen Mitteln. Mit früher Aufklärung könnte man Gewalt in vielen Fällen schon im Vorfeld verhindern und versuchen einem reaktionären Frauenbild entgegenzuwirken.

 

Fehleinschätzung

Oftmals wird Gewalt an Frauen politisch instrumentalisiert und mit Migration in Verbindung gebracht. Doch Gewalt an Frauen passiert überall auf der Welt und ist demnach ein globales Problem. Es besteht kein Zusammenhang zwischen Gewalt an Frauen und einer spezifischen Staatszugehörigkeit bzw. Herkunft. „Durch diese fälschliche Annahme wird der Nährboden für Gewalt, der oft tief im heimischen Patriarchat verankert ist, negiert”, sagt Eva Zenz vom Verein AÖF – Autonome Österreichische Frauenhäuser.

Erst 1989 wurde in Österreich Vergewaltigung und geschlechtliche Nötigung in der Ehe oder Lebensgemeinschaft strafbar. Bis dahin galten diese Formen von Gewalt höchstens als Kavaliersdelikt. Tatsächlich zeigt eine aktuelle Statistik, dass die Mehrheit der Täter, die Gewalt an Frauen ausüben, aus Österreich und EU Ländern stammen.

Sichtbar machen

Obwohl so viele Frauen tagtäglich von Gewalt betroffen sind, wird dieses Thema häufig tabuisiert. Über Gewalterfahrung zu sprechen oder sich Hilfe zu  holen, ist  nach  wie  vor  mit Stigma behaftet. Es ist wichtig, jede Art von Gewalt ernst zu nehmen, sich selber im Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt zu sensibilisieren und Betroffenen Unterstützung anzubieten und Mut zusprechen.

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Medien-Lehrgangs 2019 als journalistische Praxis-Arbeit. Thema und Inhalt dieses Beitrags wurden durch die Autorin selbstständig gewählt und recherchiert.

    Greta-Mattea Wieland

    Wahlwienerin geboren in Salzburg.
    Schreibt über:
    Wien und die Welt.
    Kunst und Kultur.
    Feminismus und Privates.

    Bildquellen

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