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Figlhaus & CIFE Politikseminar in Paris


 

Vier Projekttage mit dem Figlhaus & CIFE in Paris beim Integrationsprojekt „Le Rocher” in den Pariser Banlieues mit dem Politik-Seminar „Politisch.Neu.Denken” und einem Team des österreichischen Bundeskanzleramts.

Vom Geheimnis echter Integration durch Mitleben, von einer neuen „Schule der Begegnung” bis hin zu einer ungewöhnlichen Diskussion im französischen Innenministerium: „Wir müssen die Instrumente der Politik neu überdenken, damit sie auch das Herz und die Seele der Menschen erreichen“ (Pariser Ministeriumsmitarbeiter). Alles in allem ging es um nichts Geringeres als um die Überwindung zunehmend gespaltener Gesellschaften in Europa.

Vom 18. bis 21. Mai haben wir mit unserer 17-köpfigen Studiengruppe aus Wien außergewöhnlich intensive und lernstarke Erfahrungen eines neuen Miteinanders über alle Religions-, Politik- und Sozialgrenzen hinweg in Paris machen können.

Gestartet hat die Paris-Session am Mittwochvormittag, dem 18. Mai, mit einem herzlichen Empfang und einem gegenseitigen Kennenlernen im Domus Emmanuel, wo das Pariser Büro des Leitungsstabs der frankreichweiten Organisation von „Le Rocher” beheimatet ist. Sehr schnell wurde deutlich, wie unterschiedlich und vielfältig die Gruppe hinsichtlich Weltanschauung und politischer Ausrichtung zusammengesetzt war.

Generaldirektor von „Le Rocher”, Arnaud de Carmantrand, und seine Mitarbeiterin Magali Reny sowie Mitarbeiter Jean-François Morin haben Strategie und Ziele ihres Integrationsprojekts an den neun Standorten bzw. Banlieues in Frankreich erläutert und diskutiert. Wir erfuhren von der hohen Arbeitslosigkeit und der Armut in diesen Stadtteilen, aber auch der unterschiedlichen Entwicklung der Städteplanung in den letzten Jahrzehnten, der Migration und vom hohen Anteil von bis zu 80% an Menschen muslimischen Glaubens. Vor allem aber ging es viel um das Geheimnis einer Lebensveränderung durch konkretes Mitleben („Vivre avec”) in den Banlieues. Um die Wohngemeinschaften der VolontärInnen mitten in den Plattenbauten. Um die unbedingte Würde eines jeden Einzelnen und um den Wunsch, anderen bessere Lebensmöglichkeiten zu ermöglichen, um eine solidarischere Welt aufbauen zu können.

Am frühen Abend des ersten Tages gab es danach im fürstlichen Palais der österreichischen Botschaft gegenüber des Außenministeriums Frankreichs einen großzügigen Empfang für unsere Gruppe durch den Geschäftsträger Wolfgang Wagner. Er erzählte uns, dass der Staat Frankreich bezüglich Österreich sehr spezifisch an der Expertise Österreichs bei Religions- und Integrationsfragen interessiert sei. Sowohl das festliche Buffet als auch der interessierte Austausch mit dem Generaldirektor von „Le Rocher” brachten die Wertschätzung der Botschaft gegenüber diesem Projekt und unserer Gruppe zum Ausdruck.

Eine besonders starke Erfahrung war am folgenden Tag das konkrete Mitleben an den zwei Projektorten in den Banlieues von Les Mureaux und in Bondy. In zwei verschiedenen Gruppen wurden  vor Ort fleißig Kontakte geknüpft – mit der Hilfe der VolontärInnen beim Kaffeezelt, bei Hausbesuchen, beim Französisch-Unterricht und so weiter. Gänzlich unerwartet war, dass die gerade neu ernannte Premierministerin Frankreichs als erste Amtshandlung eben genau diesen Ort Les Mureaux besuchte, wo ihr Arnaud de Carmantrand  kurz von der Arbeit von „Le Rocher” berichten und ein Buch über die Arbeit überreichen konnte.

Wirklich entscheidend für unsere Gruppe waren die Gespräche mit den Menschen, die in den Banlieues leben. Die Feedback-Erzählungen beim Abendessen haben auf bewegende Weise gezeigt, wie sehr diese Begegnungen zuinnerst berührt und tatsächlich verwandelt haben. Zu guter Letzt konnten wir vom Team von „Le Rocher” Strategien und konkrete Beispiele für Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfahren.

Eine ungewöhnliche und hochspannende Begegnung folgte am dritten Tag im französischen Innenministerium mit einer Vertreterin des Interministeriellen Ausschusses zur Prävention von Kriminalität und Radikalisierung und mit dem Vertreter des Amtes für Kult und Laizität. In den dreieinhalb Stunden intensiver Diskussion wurde deutlich, wie wichtig nicht nur der Austausch der verschiedenen Erfahrungen Frankreichs mit der Laizität und die Entwicklung der Parallelgesellschaften und andererseits die lange Tradition Österreichs mit der gesetzlichen Einbindung aller Religionsgemeinschaften ist – wie das Islamgesetz von 1912. Sondern auch, wie sehr Projekte wie „Le Rocher” in Frankreich ein vollkommen neues Licht auf die Herausforderungen einer gespaltenen Gesellschaft wirft. Ein Mitarbeiter des französischen Innenministeriums brachte es so auf den Punkt: „Wir müssen die Instrumente der Politik neu überdenken, damit sie auch das Herz und die Seele der Menschen erreichen”.

Am vierten und letzten Tag unserer Studienreise konnten wir uns schließlich als neu zusammengewachsene Gruppe – verwandelt durch diese „Schule der Begegnungen” – noch dem historischen Kern von Paris widmen. Nicht nur der Blick auf die eingerüstete und vom Brand gekennzeichnete Kathedrale Notre Dame erinnerte uns an eine Bemerkung der letzten Tage, dass womöglich die Banlieues sicherer seien als das reiche Zentrum.

Einige konnten auch das ursprüngliche Zentrum der Gemeinschaft Emmanuel, das Hausboot des Gründers Pierre Goursat an der Seine, besuchen. Die Gemeinschaft Emmanuel trägt das ganze Projekt sowohl in Paris als auch in Wien die Akademie im Figlhaus. Der bereits in der 90er Jahren verstorbene Gründer und Filmkritiker war sein Leben lang davon beseelt, Gemeinschaft mit den Ärmsten im Geist der Güte und des Mitgefühls zu bilden.

    Stephanie Kappaurer

    Bildquellen

    Veranstaltungsort

    Figlhaus – Akademie für Dialog und Evangelisation
    Schenkenstrasse 2 Wien, 1010 Österreich + Google Karte
    Telefon:
    +43 01 53256320
    Website:
    akademie-wien.at
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