Talk zu 30 Jahre Mitgliedschaft Österreichs in der EU
Quo vadis Österreich, quo vadis EU?
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Vier engagierte Europäer:innen diskutierten zu Vergangenheit und Zukunft der Europäischen Union. Franz Fischler, ehemaliger EU-Kommissar, Eva Lichtenberger, Dozentin und ehemalige Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Sarah Emminger, Außenpolitik-Journalistin beim ‚Kurier‘ und Michael Landau, Präsident der Caritas Europa kamen im Projektraum des WUK in der Währinger Straße 59 ins Gespräch. Organisiert und moderiert wurde der Abend von den Mitgliedern des TALK-Teams des Figlhauses in Wien, ehrenamtlich engagierten Studierenden und jungen Berufstätigen aus unterschiedlichen Bereichen.
Zwischen Warnung und Zuversicht
Franz Fischler warnte: „Aufwachen, meine Damen und Herren, ist jetzt angesagt.“ Er plädierte an alle Anwesenden, einem zunehmenden Abbau der liberalen Demokratie entgegenzuwirken und die Geschichte Europas neu zu erzählen: „Wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund bekanntlich über.“ Michael Landau hob hervor: „Zusammenhalt und Zuversicht sind die Grundlage für eine erfolgreiche europäische Zukunft.“ Gerade jetzt gäbe es eine Chance: „Das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr 2025 steht unter dem Motto ‚Pilger der Hoffnung‘ – das ist auch eine Leitlinie für Europa.“ Sarah Emminger forderte mehr Ehrlichkeit: „Ich wünsche mir, dass Politiker:innen aufhören, Probleme auf die EU abzuschieben.“ Aus ihrer eigenen Erfahrung sprechend, forderte sie auch: „Es sollte nicht mehr möglich sein, dass man die Matura macht, und dann trotzdem ganz viel Wissen im Bereich EU-Politik fehlt“. Eva Lichtenberger appellierte an die Zivilgesellschaft: „Wir müssen zeigen, dass Österreich eine starke Demokratie besitzt.” Dazu wünschte sie sich: „Rein in die Social Media und dort wirklich auch konkret in einen Austausch treten“. Sie machte einen konkreten Vorschlag für alle Talk-Gäste: „Ladet Leute aus den anderen Mitgliedstaaten ein, weil man die Vielfalt in Europa dann ganz einfach sieht und mit dieser Vielfalt arbeitet und nicht dagegen.“
Mehr Caritas in Europa
„Wenn wir die Erfolgsgeschichte der EU fortschreiben wollen, braucht es mehr Europa, mehr Caritas in Europa und die Aufmerksamkeit dort, wo es für Menschen brüchig ist. Unter anderem ist in Europa mittlerweile jedes vierte Kind armutsgefährdet. Diese Tatsache dürfen wir nicht hinnehmen“, betonte Michael Landau.
Dringender Reformbedarf in der EU
Einigkeit herrschte darüber, dass die EU dringend institutionelle Reformen benötigt. Eva Lichtenberger forderte die Abschaffung des Vetorechts im Rat sowie „eigene Ressourcen, um eigene Programme machen zu können“ für die EU. Franz Fischler betonte, dass eine Erweiterung der EU nur gelingen könne, wenn zuvor die institutionellen Strukturen gestärkt würden: „Eine Erweiterung kann nur funktionieren, wenn wir vorher das eigene Haus in Ordnung bringen.“
Win-win-Situationen
Sarah Emminger unterstrich die wirtschaftliche Eigennützigkeit einer EU-Erweiterung: „Österreich profitiert wirtschaftlich enorm vom Westbalkan, etwa durch Unternehmen wie die EVN in Nordmazedonien.“ Besonders Michael Landau setzte sich für eine andere Betrachtung der EU-Erweiterung ein. Mit einem Zitat von Johannes Paul II. „Europa muss mit beiden Lungenflügeln atmen“, unterstrich er, dass es nicht darum ginge, „diese Länder ‚dazu zu nehmen‘, damit sie endlich auch ein bisschen Europa sind, sondern es geht darum, dass Europa eben Europa wird.“
Über die Akademie:
Die Akademie für Dialog und Evangelisation im Figlhaus bietet unterschiedliche Lehrgänge an, darunter ein Leadership-Training, das Führungsqualität und christliche Werte kombinieren soll, einen EU-Lehrgang, eine Kommunikationsschulung und den Lehrgang ‚Politisch.Neu.Denken.‘ für Politiker:innen und politisch interessierte Menschen sowie Schulungen und Tagungen zum Thema ‚Dialog und Mission‘. Ziel der Akademie ist es, durch ihre Kurse und Veranstaltungen den Dialog von Menschen aller Weltanschauungen und Religionen zu fördern. (Info: https://akademie-wien.at)