Simon Schmidbaur, der Leiter der Jungen Kirche Wien, ist überrascht über das päpstliche Dokument “Christus vivit”: “Das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus ist ein Brief an junge Menschen. Dieser Brief behandelt zwar viele aktuelle Themen, lässt aber auch Wichtiges zu kurz kommen.”
Papst Franziskus hat einen Brief an die Jugend formuliert. Das Dokument trägt den Titel „Christus vivit“ und bildet das Ergebnis der Bischofssynode zum Thema Jugend im Oktober vergangenen Jahres ab. Drei Wochen lang haben im Oktober 2018 Bischöfe aus der ganzen Welt mit Papst Franziskus und Berater/innen die Jugend in den Mittelpunkt einer Synode gestellt. Die Bischofssynode ist das Beratungsorgan des Papstes schlechthin. Im Zentrum standen die Jugendlichen, ihr Glaube und die Erkenntnis ihrer Berufung. Im April 2019 hat Papst Franziskus auf diese Beratungen Bezug genommen und das Dokument „Christus vivit“ veröffentlicht. Er nimmt die Schwerpunkte der Synode auf. Ausgehend von einer differenzierten Sicht auf die Lebenswirklichkeit der jungen Generation, von Migration über Digitalisierung bis hin zu Arbeitslosigkeit und Selbstverwirklichungsdruck, will der Papst vor allem Mut machen.
Über die konkreten Auswirkungen der Jugendsynode
Papst Franziskus geht mit der Veröffentlichung von „Christus vivit“ einen ungewöhnlichen Weg: Er schreibt keine klassische Abhandlung, sondern einen Brief an die Jugend. In weiten Teilen wendet er sich direkt an junge Menschen. In einigen Abschnitten wendet er sein Wort an die Verantwortlichen der Kirche. Simon Schmidbaur (29) ist in der Erzdiözese Wien verantwortlich für die Kinder- und Jugendarbeit.
Schmidbaur kennt den Brief des Papstes:„Wer klare programmatische Aussagen zu den vermeintlichen heißen Eisen, etwa Sexualmoral oder die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern – erwartet hat, wird bei der Lektüre enttäuscht. Aus diesem Brief spricht eine tiefe Zuneigung und Wertschätzung für die Hoffnungen und die Tatkraft der jungen Menschen.” Junge Menschen zu begleiten, ihnen Perspektiven und Räume zu eröffnen, gehört zum Daily Business von Schmidbaur und seinem Team. Er leitet die Junge Kirche Wien, welche sich als Abteilung der Erzdiözese Wien für Kinder und Jugendliche einsetzt. Konkrete Änderungen kann er noch keine nennen. „Jetzt liegt es vielmehr an der Österreichischen Bischofskonferenz Schwerpunkte festzulegen und nächste Schritte in die Wege zu leiten. Die Abschlussdokumente legen einiges nahe“, so der junge Theologe. So ist die Frage nach der Beteiligung für Schmidbaur ein neu zu betonender Aspekt: „Ich setze mich für mehr Beteiligung junger Menschen ein. Das ist ein Thema, welches das Abschlussdokument groß gemacht hat, in Christus Vivit aber wenig Platz findet. Das gilt für mich aber als Schlüssel für eine zukunftsfähige Kirche.“ Das Abschlussdokument der Bischöfe im Oktober ist da sehr deutlich: „Die verantwortungsvolle Teilhabe junger Menschen am Leben der Kirche ist keine Option, sondern eine Forderung des Lebens aus der Taufe und ein unverzichtbares Element für das Leben jeder Gemeinschaft.“ Daher sollten die Bischofskonferenzen diesen Weg der Beteiligung in den Diözesen fortsetzen. Davon ist jetzt, einige Monate nach dem Erscheinen der Texte, noch nicht die Rede. „Jetzt gilt es sichtbar zu machen, welche Auswirkungen die Jugendsynode hat, damit die Kirche glaubwürdig bleibt“, sagt Simon Schmidbaur.
Der Weg, den Franziskus geht
„Die Kirche bedarf eures Schwungs, eurer Intuition, eures Glaubens. Wir brauchen das!“, schreibt Papst Franziskus. Dass er junge Menschen ernst nehmen will, das hat Papst Franziskus mit dem Prozess der Jugendsynode gezeigt. Im Vorfeld der Jugendsynode bereits wollte er Jugendliche aus der ganzen Welt anhören. Eva Wimmer, eine 21-jährige Theologiestudentin, wurde von der österreichischen Bischofskonferenz dafür beauftragt: „Für mich ist es eine Ehre, dass ich Österreich bei der Vorsynode vertreten darf. Die Vorsynode bietet eine gute Chance, dass Jugendliche in der Kirche gehört und ihre Anliegen wahrgenommen werden. Diese Chance möchte ich nützen und mich aktiv für die Jugendlichen einsetzen“, so Wimmer.
Das war neu: Die Bischofssynode war nicht nur eine Synode über die Jugendlichen, sondern der Jugendlichen selbst. 40 Jugendliche waren als GasthörerInnen vor Ort im Vatikan und haben den Bischöfen von ihren Erfahrungen berichtet. Bereits im Vorfeld: Über 100.000 Jugendliche hatten sich eingebracht und hatten im Vorfeld mitentschieden, was im Oktober besprochen werden sollte.
Wenn junge Menschen Weltkirche mitgestalten
Simon Schmidbaur und Eva Wimmer kennen sich. Sie treffen sich regelmäßig bei Sitzungen und setzen sich ein für die Weiterbearbeitung dieser Themen. „Ich bin extrem dankbar für alles, was in der Synode passiert ist“, so Wimmer. Sie möchte die Umsetzung der Ergebnisse der Jugendsynode vorantreiben. Dafür reiste sie Ende Juni 2019 wieder nach Rom: Papst Franziskus hat zu einem Jugendforum eingeladen, das diese Themen aktuell halten soll.
Papst Franziskus betonte beim Empfang der Jugendlichen am vergangenen Samstag: „Dieses Wort ,Protagonist´ ist keine Geste der Diplomatie oder des guten Willens, entweder die Jugendlichen sind Protagonisten oder sie sind nichts; entweder sie stehen zuvorderst im Zug oder sie enden im letzten Wagen, der von der Flut gezogen wird. Ihr seid die Protagonisten!“ Die Beteiligung junger Menschen in der Kirche und die Frage nach der gleichberechtigten Partizipation von Frauen wird die Kirche in der nächsten Zeit noch beschäftigen; das wünschen sich die beiden jedenfalls. Die Motivation von Wimmer und Schmidbaur ist hoch; sie wollen Kirche, ja Weltkirche mitgestalten.