Der Idealismus hat es derzeit in Europa nicht leicht. Pragmatismus und Pessimismus sind à la mode. Idealistisch in die Zukunft zu blicken ist out. Idealistische Stimmen sind auf der politischen Arena derzeit kaum hörbar, und wenn, werden sie aktiv zum Schweigen gebracht. Zulauf bekommen bestenfalls jene Parteien, die versuchen, den Status quo aufrechtzuerhalten. Im schlimmsten Fall jene, die sich zurück in die Vergangenheit wünschen. Solche, die die Welt zu einem besseren Ort machen wollen, werden derzeit als Träumer abgetan.
Kein Wunder, denn Ereignisse der jüngsten Geschichte machen es vor allem den Millennials nicht leicht, ihre Ideale zu verfolgen. Als „Millennials“ wird kollektiv die Generation bezeichnet, die zwischen den 80er Jahren und den frühen 00er Jahren zur Welt gekommen ist. Es sind also auch jene Menschen, die gerade versuchen, ihr Leben aufzubauen. Ihre Zukunft ist in den meisten Fällen noch ungewiss und somit höchst abhängig von politischen und sozialen Entwicklungen.
Und die derzeitigen sozio-politischen Entwicklungen sind leider nicht rosig.
Der westliche Terrorismus – beginnend mit 9/11 – hat tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen mit sich gebracht. Angst und wachsende Intoleranz sind dadurch immer mehr spürbar. Die Wirtschafts- und Währungskrise von 2008/09 ist immer noch nicht ganz überwunden und trifft vor allem Millennials durch hohe Jugendarbeitslosigkeitsraten hart. Diese Mischung aus wirtschaftlichen und sozialen Problemen bildet den Nährboden für gefährliche populistische Entscheidungen.
Die Erfahrungen der Babyboomer – der Generation vor den Millennials – scheinen mittlerweile oft konträr zu jenen der Millennials. Aus Wirtschaftsaufschwung wurde Wirtschaftskrise. Aus Grenzöffnung wurde Grenzschließung. Aus Europaeuphorie wurde Europaskepsis. Und aus Idealismus wurde Pragmatismus, ja leider viel zu oft sogar Pessimismus.
Wir dürfen unseren Idealismus nicht verlieren. Auch wenn wir Millennials derzeit das Gefühl haben, dass uns unglaublich viele Steine in den Weg gelegt werden, wäre es umso wichtiger, dass wir uns wieder unseren Idealen widmen. Auf die Wirtschaftskrise sollten wir nicht mit Resignation reagieren. Wir müssen mit kreativen Ideen unseren eigenen wirtschaftlichen Weg finden. Auf die Grenzschließungen dürfen wir nicht mit noch weniger Akzeptanz für Minderheiten antworten. Wir müssen gemeinsam Lösungen für die Migrationsbewegungen finden. Auf die Europaskepsis können wir nicht mit einem Rückzug in die nationale Vergangenheit antworten. Wir müssen Europa wieder neuen Sinn geben.
Und dafür bedarf es idealistischer Vorschläge.
Diese Vorschläge dürfen utopisch – ja müssen sogar utopisch sein! Die Idee muss immer idealistischer sein, als es die Realität schlussendlich sein kann. Wenn es keine Idealisten mehr gibt, wer lenkt uns dann in eine bessere Zukunft? Denn eines ist klar: Zurück in die Vergangenheit können wir nicht. Und gerade als Europäer dürfen wir das auch nicht.
Wir Millennials werden bald die Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik sein oder sind es bereits. Es ist deswegen umso wichtiger, dass wir nicht resignieren. Wenn wir das Ruder übernehmen, sollten wir nicht pessimistisch auf all die Herausforderungen vor uns blicken. Auch purer Pragmatismus wird uns nicht weit bringen. Denn wie sonst können wir wieder so Unglaubliches erreichen wie die deutsch-französische Freundschaft oder die Wiedervereinigung Europas? Wir sollten nicht nur das Erreichte beibehalten, sondern nach mehr streben. Deswegen plädiere ich für die Rückkehr des Idealismus in unsere Politik – nur so können wir aus den heutigen Herausforderungen den Weg in eine Zukunft in einer besseren Welt finden.