Mein europäisches Paradoxon (Teil 2)


von Stefanie Buzmaniuk am

oder: Als Migrantin in Brexit-Land

Das Thema Migration ist hauptverantwortlich für die Brisanz der Brexitdebatte. Nichtsdestotrotz bin ich genau zu dem Zeitpunkt nach England gezogen, als sich Großbritannien für den Brexit entschieden hat. Damals bin ich nicht nur als eine der vielen europäischen Migranten, sondern auch als Studentin des Masterstudiengangs Global Migration nach England gekommen. Diese Tatsache ist die Grundlage für den zweiten Teil meines europäischen Paradoxons.

Seitdem ich in Großbritannien lebe, habe ich einige Einblicke in die Brexit-Migrations-Dynamik bekommen. Erlebnisse aus meinem persönlichen Bekanntenkreis malen ein düsteres Bild der derzeitigen Lage für Migranten. Einer meiner britischen Freunde, der südostasiatische Wurzeln hat, wird seit der Brexit-Entscheidung beispielsweise zunehmend als „nicht britisch“ eingestuft. Und dies, obwohl er in London geboren und aufgewachsen ist und die britische Staatsbürgerschaft besitzt.

 

Strategie: nichts wie weg

Viele meiner österreichischen Bekannten in Großbritannien fühlen sich seit dem 23. Juni 2016 weniger willkommen. Oftmals haben sie sich jedoch ihr Leben hier schon lange vor dem Brexit-Debakel aufgebaut. Sie sorgen sich darüber, was für einen Einfluss eine potenzielle Änderung ihres Immigrationsstatus auf ihre Zukunft haben könnte. Dass es komplizierter wird als bisher, ist allerdings das Einzige, was zur Zeit dazu feststeht.

Viele meiner internationalen Bekannten wollen Großbritannien verlassen, sobald der Brexit Realität wird. Die Strategie nach dem Motto „nichts wie weg“ ist aber auch nur einer höchst mobilen, meist jungen Schicht vorbehalten.

 

Koffer

 

Rückzug mit Folgen

Das Resultat ist, dass immer weniger EU-Bürger ihre Zukunft in Großbritannien sehen. Diejenigen, welche hier sind, treten vermehrt den Rückzug an. Das ist eigentlich genau das, was viele Brexit-Befürworter wollen. Ob dieser Effekt allerdings die wahren Probleme des Landes lösen wird, ist äußerst fraglich.

Die sozialen Schwierigkeiten, die die Brexit Debatte erst angestoßen hatten, wurden hauptsächlich auf Migration zurückgeführt. Migranten wurden als Sündenböcke dargestellt. Die Vertreibung dieser Sündenböcke wird die sozialen Herausforderungen jedoch wahrscheinlich nicht verringern. Neue Schwierigkeiten werden durch fehlende Arbeitskräfte und wegfallende Netto-Beiträger zum National Health Service (NHS) und sonstigen sozialen Einrichtungen hinzukommen.

 

Kleine Lichtblicke

Trotz der derzeit angespannten Lage gibt es kleine Lichtblicke in der Thematik rund um Migration und Brexit. Private Sponsoren haben beispielsweise realisiert, dass nun sie die Initiative ergreifen müssen. Dadurch erleben viele karitative Einrichtungen, die sich um Migranten oder spezieller um Geflüchtete kümmern, ein Ansteigen der finanziellen Mittel.

Solche Entwicklungen sind wohl aber nur mittelfristig hilfreich. Gerade karitative Einrichtungen sind stark auf Unterstützung seitens der EU angewiesen, welche langfristig wegfallen wird. Generell werden vermutlich auf lange Sicht durch veränderte Bedingungen im Hinblick auf Migration soziale Schwierigkeiten auftreten, welche derzeit nur schwer abschätzbar sind.

 

Sanduhr

 

Mein europäisches Paradoxon in London

Besonders die Hauptstadt London wird sich den Herausforderungen früher oder später stellen müssen, da die Metropole nur durch das Mitwirken vieler Migranten funktioniert. Die Stadt ist ein Widerspruch in sich selbst, welcher durch den Brexit deutlich verstärkt wird. London wird deshalb im Mittelpunkt des dritten und letzten Teils zu meinem europäischen Paradoxon stehen.

 

    Stefanie Buzmaniuk

    Sprachen | Politik | Migration
    Zurzeit in London, davor in Nizza, Berlin, Paris und Wien

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